Mystik

abendstimmung

Unter den vielen verschiedenen Weisen, ein spirituelles Leben zu führen, ist die Mystik eine Weise, die alle Religionen übergreift. Mystiker finden sich im Sufismus des Islam ebenso wie im Buddhismus, im Kabbalismus des Judentums ebenso wie im Hinduismus. „Mystik“ ist heute wieder populär, aber dennoch ist der Begriff keineswegs eindeutig geklärt, sondern mit vielen Unklarheiten und Missverständnissen behaftet. In der Sprache der Werbung wird „mystisch“ häufig als Inbegriff für eine Kombination von Unbestimmt-Geheimnisvollem mit vager Gefühlsduselei verwendet, während man andererseits in esoterischen und auch in manchen christlichen Kreisen dazu neigt, mystische Erfahrungen mit außergewöhnlichen Erscheinungen wie Visionen, Offenbarungen, Ekstasen und dergleichen gleichzusetzen. Damit wird die Mystik in den Bereich des Außerordentlichen, Wunderbaren, Übersinnlichen gezerrt.

„Mystik“ kommt vom griechischen Adjektiv mystikos, was soviel heißt wie: mit Geheimnissen verbunden. Dabei geht es aber um keine esoterischen Geheimnisse. Mystik leitet sich ab vom griechischen Verb myo, was soviel heißt wie: den Mund bzw. die Augen schließen. Die Mystiker verschließen ihre Augen vor dem Vordergründigen, um tiefer sehen zu können, um Gott im eigenen Seelengrund zu finden.

Das heißt aber nicht, dass Mystiker zu weltfremden Menschen werden. Im Gegenteil. Immer waren und sind Mystiker Menschen, die einen klaren Blick auf die Realität haben.

Mystik mahnt zum Sich-Versenken und ruft zugleich alle reformatorischen und kämpferischen Energien auf den Plan. Sie ist mit vielen Bildern gesegnet, sie lässt den Betroffenen in unbeschreiblicher Wonne zurück, stürzt ihn aber auch in unsägliche Qualen und Abgründe. Er macht Erfahrungen, die ihn sprachlich stammeln lassen und ihn zu neuen Wortschöpfungen verführen; die Texte der Mystiker machen uns zu Zeugen eines beständigen Ringens um die adäquate Ausdrucksweise, getrieben von der inneren Notwendigkeit, um jeden Preis davon erzählen zu müssen: „Wére hie nieman gewesen, ich mueste disem Stocke geprediet hàn“, so Meister Eckhart.

Dieses „Verkünden-wollen“ der einmal gemachten Erfahrung ist wesentlich für die christliche Mystik. Christliche Mystik kann niemals auf die Sprache als Medium ihrer Erfahrungen verzichten. Mystik ist nichts anderes als die Erfahrung der Geburt des Wortes in der Seele. Dies ist die paradoxe Situation des Mystikers: Indem er weiß, dass seine Erfahrung letztendlich nicht „sagbar“ ist, weiß er zugleich mit höchster Gewissheit, dass um jeden Preis von ihr gekündet werden muss.


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